Lalitha – kämpft weiter

Lalitha* (35), Mitglied unseres Frauen-Förderungs-Teams in Indien, wurde aus der Prostitution gerettet, sie weiss – leider – um was es geht. Ihre Mitarbeit ist von unschätzbarem Wert, da sie sich besonders effektiv für die Rechte der Joginis einsetzt und zur Verbesserung ihrer Situation beiträgt. Zu ihren Aufgaben gehört es, die jungen Mädchen zu identifizieren, zu unterstützen und präventiv einzuschreiten oder sie direkt aus dem ausbeuterischen Jogini-System (eine Form der Prostitution verbunden mit vermeintlich religiösen Elementen) zu retten.

Als Lalitha 12 Jahre alt war, wurde auch sie in das Jogini-System verkauft und landete als Sexarbeiterin in Mumbai. Sie kehrte Mitte 20 mit ihren Kindern in ihr Dorf zurück, wegen gesundheitlicher Probleme. Im Dorf verliebte sie sich in einen Mann, der ihr Liebe vortäuschte. Er lockte Lalitha weg vom Dorf. Doch statt in liebevoller Partnerschaft, fand sie sich in Gefangenschaft wieder und wurde mehrfach vergewaltigt. Die Polizei intervenierte, doch was nach Rettugn aussah, entpuppte sich als Betrug. Denn auf der Polizeistation wurde Lalitha ohne Rechtsbeistand in Gewahrsam genommen und wiederum sexuell ausgebeutet. Die Mutter von Lalitha hat die verzeweifelte Suche nach ihrer Tochter nicht aufgegeben und dabei unser Team um Hilfe gebeten. So konnte Lalitha nach drei Monaten in der Polizeistation befreit werden. In unserem Schutzhaus fand Lalitha Unterkunft, Essen, medizinische Versorgung und psychiatrische Betreuung und brauchte zuerst mal 2 Jahre Erholung vom Trauma. Danach, trotz der Wunden und dem Leidensweg, entschloss sich Lalitha zu kämpfen, dass es anderen Mädchen und Frauen besser geht als ihr!

Sie trat dem Frauen-Förderungs Team von dfn bei und erhielt eine Schulung für die Rechtskunde und Alphabetisierung für Erwachsene. Im Laufe des letzten Jahres hat sie über 50 Mädchen aus verschiedenen Formen der sexuellen Ausbeutung gerettet, darunter auch Jogini-Weihungen gestoppt. Sie hat etwa 20 junge Sexarbeiterinnen ermutigt, an den dfn Berufsschulen teilzunehmen. Und dafür gesorgt, dass 10 Kinder aus Jogini-Familien in die Schule kommen.


Um Frauen wie Lalitha zu unterstützen, braucht es 150 Franken im Monat. Wir wollen, dass noch mehr Frauen zu ihrem Recht kommen und in Würde und Freiheit leben können!

 

*Wir verwenden zum Schutz der Persönlichkeit Symbolbilder und ändern Namen.

Bildung fördern. Würde stärken!

Aamir hüpfte in den Schlammpfützen rund um das Haus seiner Familie auf und ab und spritzte und planschte, was das Zeug hielt. Mit seinen vier Jahren ist er energiegeladen und neugierig, mit einer Prise Schalk. Seine ältere Schwester Lina schimpft mit ihm: „Aamir, du machst eine Sauerei!“ Er kichert nur und rennt die Gasse hinunter und tut so, als würde er vor Lina weglaufen.

In der Hütte der Familie sitzt Gabina, die Mutter der Kinder, zusammengekauert über ihrer Arbeit, während sie sich um das Feuer kümmert und das Baby beobachtet. Sie ist schwanger und stöhnt leise auf, weil ihr der Rücken schmerzt, während sie mit flinken Fingern einen Docht in die Feuerwerkskörper steckt, die sie zusammensetzt. Ihr Verdienst ist die einzige Einnahmequelle für die Familie. Sie weiss, dass es eine gefährliche Arbeit ist. Schiesspulver und leere Feuerwerkshülsen liegen verstreut um sie herum, und sie macht sich Sorgen, dass das Pulver zu nah am Feuer liegt. Aber was soll sie tun? Ihre Familie braucht das Geld, das sie verdient. Sie weiss nicht, wie sie sonst Brot auf den Tisch bringt. Gabina hatte nie die Möglichkeit, zur Schule zu gehen und baut seit ihrem fünften Lebensjahr Feuerwerkskörper zusammen. Sie ist schnell – und das ist wichtig, denn sie wird pro Stück bezahlt. Keine Feuerwerkskörper heute? Kein Lohn.

Gabina ist entmutigt. Der Unterhalt ihrer Familie fühlt sich wie ein aussichtsloser Kampf an. Sie macht sich Sorgen um ihren Mann Naadir. Nachdem er schwere gesundheitliche Probleme bekommen hatte, die ihn arbeitsunfähig machten, griff er zum Alkohol, um seinen körperlichen und seelischen Schmerz zu überspielen. Und die Schulden! Gabina nahm einen Kredit auf, um die Behandlung ihres Mannes zu finanzieren. Der skrupellose Kreditgeber lässt sie mit Wucherzinsen bluten.

Die Mutter macht sich Sorgen um den kleinen Aamir. Er ist so lebensfroh, so klug und so fröhlich. Gabinas Herzenswunsch ist es, ihn – und alle ihre Kinder – zur Schule schicken zu können. Obwohl sie keine Schulbildung hat, weiss sie, dass Bildung wichtig ist, um aus der Not rauszukommen. Ihre Tränen der Frustration und Sorgen, dass sie ihren Kindern diese Möglichkeit nicht bieten kann, laufen ihr über die Wangen, während sie ihren Rücken streckt und versucht, eine bequemere Position auf dem harten Lehmboden zu finden.

Ein Klopfen ertönte am Türrahmen. Gabina wischte sich mit ihrer Dupatta über die Augen, um ihre Tränen zu verbergen. Es war Meena! Meena wohnt mit ihrer Familie in der Nachbarschaft. Nach jedem ihrer Besuche fühlt sie Gabina viel besser.

Während sie an ihrem Tee nippen, sagt Meena: „Gabina, ich habe gerade gehört, dass nicht weit von hier ein Ausbildungsplatz frei geworden ist. Du solltest hingehen! Ich habe gerade meinen Abschluss als Näherin gemacht. Das ist auch für dich eine gute Chance!

Gabina freute sich einen Moment lang, dann verzog sie das Gesicht, weil sie sich alle Hürden vor Augen malte. Doch die Freundinnen schmieden Pläne, diese zu bewältigen: «In dieser Nachbarschaft müssen wir einander helfen. Vor allem wir Frauen!“

Am nächsten Morgen meldete sich Gabina im DFN-Berufsbildungszentrum an. Nach zwei Wochen fühlte sie sich wohl. Sie erlernte neue Fertigkeiten, was ihr Selbstbewusstsein stärkte und zum ersten Mal seit langer Zeit schöpfte sie wieder Hoffnung für ihre Zukunft. Nachmittags und abends konnte sie immer noch Feuerwerkskörper zusammenbauen, um ein Einkommen zu erzielen. Es ging aufwärts.

Am Ende des Kurses schnitt Gabina so gut ab, dass ihre Lehrerin ihr eine Vollzeitstelle in der dfn-Minifabrik anbot, wo sie Schuluniformen für unsere dfn-Schulen bügelte und veredelte. Gabina ging am Ende eines jeden Tages hocherhobenen Hauptes nach Hause. Sie verdiente einen würdigen Lebensunterhalt zu einem fairen Lohn in einer sicheren und sauberen Umgebung.

In der Kleiderfabrik hat Gabina von der dfn Privatschule gehört. Sie nahm all ihren Mut zusammen, fragte ihren Vorgesetzten nach der Schule und erfuhr, dass ihre Kinder Stipendien für den Unterricht erhalten würden.

Gabinas Herz jubelte. Licht am Horizont! Ihre beiden Kindern Lina und Aamir lernen mittlerweile fleissig lesen und schreiben, singen Kinderlieder und sind tagsüber in Sicherheit, weg von der Strasse, weg von den Feuerwerkskörpern.